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Paperback. Deutsch/German. In good condition.
Easy to drink' nennt man im Englischen unkomplizierte Weine, die auch Nicht-Kennern einigen Genuss bereiten. Entsprechend konnte man diesen Roman als 'easy to read' qualifizieren, ware die geschmeidig erzahlte Liebesgeschichte nicht gleichzeitig so vielschichtig, ja vertrackt. Hester Rosenfeld, eine New Yorker Historikerin Ende dreissig, will eigentlich ein Buch uber das ganz alte Europa, das mittelalterliche namlich, verfassen, als sie sich rettungslos in den Munchner Mediavisten Heinrich Falk verliebt und kurzerhand beschliesst, dessen Lebensgeschichte aufzuschreiben. Es funkt gewaltig zwischen den beiden, obwohl oder gerade weil vieles gegen die Verbindung spricht und fur Spannung(en) sorgt: 'r ist 20 Jahre alter und verheiratet (doch zumindest 'im Ehebruch monogam'!), sie kampft mit Vorbehalten gegenuber dem Land, das ihre Eltern einst zu Fluchtlingen gemacht und ihr eine Kindheit als Aussenseiterin beschert hat. Wenn Hester durch das moderne Munchen geht (oder fahrt, grundsatzlich schwarz mit der U-Bahn), mischt sich unweigerlich das 'Echo der Vergangenheit' in die malerische Szenerie, Originaltitel: Hester Among the Ruins. Gegen die Beklemmung hilft ruppiger Woody-Allen-Witz: 'Anscheinend hat Hitler seinen Arsch in ganz Munchen geparkt.' Wider Willen auf Besuch in Theresienstadt beobachtet sie, wie Heinrich demonstrativ bussfertig (ist er denn irgendwie schuldig?!) Steinchen auf die Graber legt, und nennt das KZ lapidar den 'Boxenstopp vor Auschwitz'. Viele pragnante Passagen beleuchten das heillos komplizierte Verhaltnis zwischen Deutschen und Juden. Mal eher essayistisch, mal satirisch, wenn philosemitische Kinder und Enkel der Tatergeneration von Klezmer-Musik schwarmen, koschere Kuche schatzen und ihre Sohne beschneiden lassen. Selbst da, wo Kirshenbaum ubers Ziel hinausschiesst, bleibt der selbstironisch abgetonte Blick auf unser Land der 'harten Handtucher' ungemein anregend. Und bei allem Sarkasmus ist sie eine fursorgliche Erzahlerin, die urteilt, ohne zu verurteilen, und keine ihrer Figuren blossstellt. Denn die sind 'gefangen in der Geschichte, und die Geschichte ist gefangen in ihnen', wie James Baldwin zitiert wird. Egal, ob man den rund ubersetzten Roman nun als Geschichtslektion, als Beschreibung judisch-deutscher Annaherungen und Abstossungen liest, vielleicht sogar als Antwort auf Schlinks Der Vorleser, oder in erster Linie als Liebesgeschichte -- man fuhlt, denkt, lacht und weint mit. Das Ende kommt abrupt, weil... doch sehen Sie selbst! --Patrick Fischer