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Paperback. Deutsch/German. Fischer. 1998. In good condition. Eine Menge Vorurteile werden mit Judith Hermanns Debutwerk beseitigt: Erstens, es gibt doch gute deutsche Nachwuchsautoren, zweitens, die Gattung der Erzahlung ist nicht tot, und drittens, deutsches Schreiben ist per se nicht schwerfallig und grublerisch, sondern kann, so zeigt Sommerhaus, spater, sehr leichtfussig und virtuos daherkommen. Die Erzahlperson schlupft in neun Geschichten in verschiedene Rollen und Geschlechter: Mal ist sie Enkelin, mal Geliebte, mal Kunstler, mal Zuhorer. Und manchmal auch bloss Erzahlerin. So schnell sie eine Intimitat zum Leser aufbaut, so schnell endet die Geschichte auch wieder und es beginnt eine neue. Personen treten in das Leben der Protagonisten und gehen wieder, reissen kleine Wunden, die lange schmerzen. Da ist der alte, einsame Mann, der seine Klassikkassetten einem jungen Madchen schenkt, obwohl sie ihn versetzt; oder Sonja, die wie ein naives Kind in einen Maler verliebt ist und dann wie ein Geist wieder aus seinem Leben verschwindet. Gute und Bose gibt es nicht, nur Unvermogen oder Grosszugigkeit. Hermanns Kunst ist unmittelbar: direkte Rede, reale Vergleiche, detaillierte Wahrnehmung. Und doch bleiben die Erzahlungen angenehm unvollstandig. Als hatte jemand eine Kamera auf ein paar Personen in Berlin oder New York oder sonstwo gehalten und wieder ausgeblendet. 'Du musst lernen zu warten', sagt einer ihrer Protagonisten, 'auch auf die kleinen Ereignisse'. Judith Hermann hat fur Sommerhaus, spater den Forderpreis des Bremer Literaturpreises 1999 erhalten. In der Begrundung der Jury heisst es: 'Judith Hermann formuliert in atmospharisch dichter Prosa und mit grosser sprachlicher Sicherheit das Lebensgefuhl von Menschen, die in Liebe und Angst befangen, das wirkliche Leben verfehlen und das Scheitern der eigenen Lebensplane mehr melancholisch beobachten als trauernd erleben.' --Bettina Albert